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Einschränkung der Vertragsfreiheit – Grundsatz, Faktoren & Auswirkung

Die Vertragsfreiheit garantiert für die Freiheit des Rechtsverkehrs und ermöglicht es den Menschen wirtschaftlich selbstständig und frei zu agieren. Jedoch kann die Vertragsfreiheit nicht uneingeschränkt gewährt werden. Eine Einschränkung der Vertragsfreiheit kommt immer dann in Betracht, wenn eine vertragliche Vereinbarung nicht mit der Rechtsordnung vereinbar ist. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann die Einschränkung der Vertragsfreiheit erfolgen darf, welche Faktoren dabei eine Rolle spielen und welche rechtlichen Auswirkungen das auf den Vertrag hat.

Inhaltsverzeichnis

Grundsatz der Vertragsfreiheit in der Schweiz

In der Schweiz herrscht grundsätzlich die Vertragsfreiheit. Das bedeutet, dass Sie Verträge frei schliessen dürfen und es in Ihrer Verantwortung liegt, wie der Vertrag geschlossen wird, was vereinbart werden soll und mit wem Sie eine vertragliche Abrede eingehen möchten. 

Die Vertragsfreiheit ist ein wichtiger Baustein der Privatautonomie und umfasst ebenso, dass Verträge jederzeit geändert oder beendet werden können (wenn sich beide Parteien einig sind). Unter dem abstrakten Begriff der Vertragsfreiheit werden folgende Freiheiten zusammengefasst:

  • Abschlussfreiheit – Sie können entscheiden, ob Sie einen Vertrag schliessen möchten oder nicht.
  • Partnerfreiheit – Sie können entscheiden mit wem Sie ein Rechtsgeschäft vereinbaren.
  • Typenfreiheit – Sie können den Vertragstypus selbst bestimmen oder sogar neue Vertragsarten erfinden.
  • Inhaltsfreiheit – Sie können den Inhalt nach Ihren Wünschen gestalten.
  • Formfreiheit – Sie können die Vertragsform selbst wählen, sofern das Gesetz nichts anderweitiges vorschreibt.
  • Änderungs- und Aufhebungsfreiheit – Sie können vertragliche Vereinbarungen beenden oder ändern. Dem müssen jedoch regelmässig beide Vertragsparteien zustimmen.

Einschränkung der Vertragsfreiheit – ist das überhaupt möglich?

Die Vertragsfreiheit geniesst zwar in der rechtlichen Grundordnung eine hohe Stellung, jedoch ist sie nicht unantastbar. Damit die Rechtsordnung in einer wünschenswerten Art und Weise bestehen kann, muss es Grenzen der Vertragsfreiheit geben. Tatsächlich ist es möglich, dass es zur Einschränkung der Vertragsfreiheit kommt. Das ist immer dann der Fall, wenn eine gesetzliche Grenze überschritten wird. Beispielsweise ist es nicht möglich, einen Kaufvertrag über ein Kilogramm Kokain abzuschliessen. Ein solcher Vertrag ist allein deshalb nichtig, weil der Verkauf und Konsum von Betäubungsmitteln – wie Kokain eines ist – rechtswidrig ist. Der Kaufvertrag ist nichtig und nicht rechtswirksam.

Gründe für die Einschränkung der Vertragsfreiheit:

Wie bereits angedeutet, gibt es unterschiedliche Gründe dafür, dass die Vertragsfreiheit in der Schweiz eingeschränkt werden darf. Der Einschränkung der Vertragsfreiheit liegt eine Interessenabwägung zugrunde: Erhaltung der Privatautonomie trifft auf den Schutz des gesetzeskonformen Rechtsverkehrs. Immer dann, wenn ein Grund für die Einschränkung der Privatautonomie vorliegt, ist ein Vertrag nichtig. Diese Nichtigkeit muss im Zweifel gerichtlich festgestellt werden, damit ein Rückabwicklungsanspruch bestehen kann. Der Grund für die Einschränkung der Vertragsfreiheit kann dabei gleichzeitig ein Anfechtungsgrund sein.

Sittenwidrigkeit

Grundsätzlich gilt, dass Verträge mit sittenwidrigem Inhalt nichtig sind. Sittenwidrigkeit liegt immer dann vor, wenn Vertragsinhalte den ethischen Prinzipien bzw. Moralvorstellungen der Gesellschaft in aussergewöhnlicher Weise entgegenstehen. Wenn ein anständig, billig und gerecht denkender Mensch einen Vertragsinhalt als unsittlich bezeichnen würde, liegt Sittenwidrigkeit regelmässig vor. Mithin bezieht sich die Einschränkung auf die Inhaltsfreiheit. Konkreter bedeutet das, dass bei der Beeinträchtigung der folgenden Rechtsgüter stets von einem sittenwidrigen Vertrag auszugehen ist:

  • Leben
  • Gesundheit
  • Menschenwürde
Ein Beispiel für einen sittenwidrigen Vertrag

Ist eine Vereinbarung zwischen A und B, bei der verabredet wird, dass der A für den B einen Dritten verprügelt. Im Gegenzug möchte der B 200 CHF an den A zahlen. Der Erfolg besteht in der Verletzung der Gesundheit des Dritten und damit ist die Abrede sittenwidrig und nichtig. In weniger eindeutigen Fällen kann es auch sein, dass ein Vertrag teilweise für nichtig erklärt wird. Das ist dann der Fall, wenn nur ein bestimmter Teil eines Vertrages sittenwidrig ist, während der Rest sich innerhalb der Grenzen der Vertragsfreiheit bewegt. Eine Entscheidung muss stets im Einzelfall getroffen werden.

Rechtswidrigkeit

Nach Art. 20 Abs. 1 OR ist ein Vertrag auch dann nichtig, wenn er Inhalte enthält, die rechtswidrig sind. Rechtswidrig ist ein Verhalten immer dann, wenn es gegen eine private- oder öffentliche Rechtsnorm verstösst. Ist eine Handlung durch ein Gesetz verboten bzw. wird unter Strafe gestellt, so darf diese nicht zum Vertragsinhalt werden. In diesem Kontext wird die Inhaltsfreiheit eingeschränkt. Ein Sonderfall ergibt sich dann, wenn eine Gesetzesänderung die Rechtswidrigkeit nachträglich verursacht. Solche Verträge sind nicht nichtig, da zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine Rechtswidrigkeit vorlag. Umgekehrt kann ein Rechtsgeschäft, welches rechtswidrig ist, nicht geheilt werden, indem eine Gesetzesänderung die Rechtswidrigkeit entfallen lässt.

Ein Beispiel für die Einschränkung der Vertragsfreiheit durch die Rechtswidrigkeit ist der Auftragsmord. Dieser würde – theoretisch – in Form eines Dienst- oder Werkvertrages vereinbart werden. Da die Tötung einer Person jedoch gesetzlich Verboten ist, kann kein Vertrag geschlossen werden, der die Tötung als Leistungspflicht beinhaltet. Gleiches gilt für den Verkauf von Drogen (siehe Beispiel oben).

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Unmöglichkeit der Leistung bzw. Erfüllung

Die Vertragsfreiheit erfährt auch dort ihre Grenzen, wo die Erfüllung einer Verabredung unmöglich ist, wird oder geworden ist. Was kompliziert klingt, macht Sinn: Keiner soll vertraglich zu etwas verpflichtet sein, was er / sie gar nicht leisten kann. Die Rechtsfolge hängt davon ab, ob die Leistung von Beginn an unmöglich war oder erst nachträglich unmöglich geworden ist – also nachdem der Vertrag geschlossen wurde. Ausserdem stellt sich die Frage, ob diese Unmöglichkeit vom Schuldner oder vom Gläubiger zu vertreten ist. Sollte die Leistung anfänglich unmöglich sein und es liegt kein Verschulden vor, so ist der Vertrag stets nichtig. Liegt jedoch Verschulden vor, so kann derjenige in die Haftung genommen werden, der die Unmöglichkeit zu vertreten hat. Beispiele für Einschränkungen der Vertragsfreiheit durch Unmöglichkeit sind:

  • Ein Vertrag darüber, eine Zeitreise zu machen.
  • Ein Vertrag der bestimmt, dass Sie der König von England werden.

Die Leistung kann durch den Schuldner nicht erfüllt werden. Dementsprechend muss weder Schuldner, noch Gläubiger leisten.

Übervorteilung

Die Übervorteilung ist ein gesetzliche Sonderfall, der ebenfalls zur Einschränkung der Vertragsfreiheit führen kann. Voraussetzung ist hier, dass ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. Ausserdem muss die Entscheidungsfreiheit des “Schwächeren” beeinträchtigt gewesen sein. Eine solche Beeinträchtigung liegt beispielsweise vor, wenn sich die Person in einer Notlage befunden hat, Leichtsinn das Handeln bestimmte oder eine erfahrene Geschäftsperson die Unerfahrenheit eines Dritten ausgenutzt hat. Der Vertrag muss mit dem Ziel der bewussten Ausbeutung geschlossen worden sein.

Das bedeutet, dass die “stärkere” Vertragspartei Kenntnis über die Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit gehabt haben muss. Die blosse Kenntnis ist in diesem Kontext ausreichend. Er / sie muss den Vertrag nicht selbst vorgeschlagen haben. Es reicht, dass dies schwache Situation bzw. Notlage ausgenutzt wurde. Eine Übervorteilung liegt beispielsweise dann vor, wenn ein Autoverkäufer einen offensichtlich stark betrunkenen Mann ein nicht funktionsfähiges Auto verkauft. Dabei fordert er einen horrenden Preis. Der Betrunkene ist nicht in der Lage die Situation zu durchschauen und schliesst den Vertrag ab. Neben der Übervorteilung könnte dieser Vertrag auch auf Grund einer eingeschränkten Handlungsfähigkeit (durch Rausch) angefochten werden.

Ein weiteres Beispiel:

Person A besitzt ein extrem seltenes Gemälde, weiss jedoch nicht, dass es einen hohen Wert hat. A benötigt dringend Geld und schlägt dem Kunsthändler B vor, er solle das Bild abkaufen. B weiss durch seine Expertise, dass das Bild mindestens 10.000 CHF wert ist. Er bietet dem verzweifelten A jedoch nur 100 CHF. A willigt notgedrungen ein, um sich von dem Geld Nahrung zu kaufen - die Abschlussfreiheit ist indirekt eingeschränkt. Auch hier wird die Vertragsfreiheit durch Übervorteilung eingeschränkt und der Vertrag ist nichtig.

Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Auch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten kann ein Grund für die Einschränkung der Vertragsfreiheit sein. Voraussetzung ist, dass ein Vertragsinhalt mehr oder weniger direkt in die Sphäre eines oder mehrerer Persönlichkeitsrechte eingreift. Wenn die Rechtsgüter Leben, Freiheit, Intimsphäre, Religionsfreiheit und so weiter beeinträchtigt werden, liegt regelmässig Sittenwidrigkeit vor. Faktisch ist damit eine Einschränkung durch Persönlichkeitsrechte erfolgt – obwohl der “offizielle” Rechtsgrund in der Sittenwidrigkeit zu finden ist. Auch eine übermässige Bindung durch eine zu lange Vertragsdauer ist als Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu subsumieren. Darin erkennt der Jurist eine Einschränkung der Handlungsfreiheit. Ob Übermass vorliegt oder nicht, lässt sich an folgenden Kriterien bestimmen:

  • Dauer der vertraglichen Verpflichtung
  • Intensität der vertraglichen Bindung

Wenn ein Arbeitsverhältnis beispielsweise unter der Bedingung geschlossen wird, dass die Kündigungsfrist 10 Jahre beträgt, ist dies ein Eingriff in die Handlungsfreiheit. Der Arbeitnehmer kann den Arbeitgeber nicht frei wechseln. Die Kündigungsfrist ist übermässig lang und zumindest dieser Teil des Arbeitsvertrages damit nichtig.

Kontrahierungszwang durch Vertrag oder Gesetz

Die letzte Form der Einschränkung der Vertragsfreiheit ergibt sich direkt aus dem Gesetz oder durch individuelle Vereinbarungen eines bereits bestehenden Vertrages. Der Kontrahierungszwang besagt, dass gewisse Personen und/oder Unternehmen verpflichtet sind, Verträge zu schliessen. Sie können damit nicht selbst entscheiden, mit wem sie welche vertraglichen Vereinbarungen eingehen. Solche Kontrahierungszwänge entstehen beispielsweise durch Rahmenverträge. Ein anderes Beispiel ist der Zwang der SBB nach Art. 12 des Personenbeförderungsgesetzes jede Person zu befördern.

Wie kann ein Anwalt helfen?

Immer dann, wenn Sie einen wichtigen Vertrag abschliessen möchten, der für einen längeren Zeitraum bestehen soll oder über einen bedeutsamen Vermögenswert verfügt, ist es ratsam, einen Anwalt für Vertragsrecht aufzusuchen. Dieser unterstützt Sie dabei einen rechtssicheren und korrekten Vertrag aufzusetzen, der Ihrem tatsächlichen Willen entspricht. Ausserdem prüft Ihr Anwalt, ob Einschränkungen der Vertragsfreiheit den Vertrag hindern könnten oder nicht. Somit können Sie im Voraus verhindern, dass Sie einen Vertrag abschliessen, der gar nicht geschlossen werden dürfte.

Sollten Sie bereits einen Vertrag geschlossen haben, bei welchem Sie nun das Gefühl haben, dass dieser nicht durch die Vertragsfreiheit gedeckt ist, sollten Sie sich an einen Anwalt wenden. Sind tatsächlich Einschränkungen der Vertragsfreiheit einschlägig, kann der Vertrag angefochten werden. Schlussendlich wird der Vertrag für nichtig erklärt und muss rückabgewickelt werden (Sie erhalten Ihr Geld bzw. Ihre Leistung zurück). Wenn Sie einen Anwalt für Vertragsrecht benötigen, sollten Sie unsere praktische Anwalts-Suchfunktion nutzen. Mit dieser finden Sie schnell und einfach kompetente Anwälte für Vertragsrecht in Ihrer Nähe. Vereinbaren Sie kostenlos ein unverbindliches Erstgespräch und schaffen Sie sich damit Rechtssicherheit und Klarheit über Ihren Sachverhalt.

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FAQ: Einschränkung der Vertragsfreiheit

Die Sittlichkeit eines Vertrages kann nur schwer objektiv gemessen werden. Das Recht grenzt einen sittlichen Vertrag von einem Unsittlichen ab, indem geschaut wird, ob die Vereinbarung gegen ethische Vorstellungen die Moral verstösst. Der Massstab zur Prüfung der Sittlichkeit ist ein “durchschnittler” Bürger. Es wird davon ausgegangen, dass Sittenwidrigkeit vorliegt, wenn eine Obligation gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen verstösst. Unsittlichkeit liegt damit beispielsweise dann vor, wenn ein Vertrag darüber geschlossen wird, dass eine Person dafür bezahlt werden soll, dass er einen Dritten bedroht.

Ein Vertrag der nicht durch die Vertragsfreiheit gedeckt ist, kann nichtig sein. Gemäss Art. 20 OR ist ein Vertrag immer dann nichtig, wenn er entweder unmöglich, sittenwidrig oder rechtswidrig ist. In diesen Fällen entfaltet die Abrede keine rechtliche Bindungswirkung und es besteht keine Leistungspflicht. Der Vertragsinhalt kann nicht gerichtlich durchgesetzt werden und damit ist die Verabredung hinfällig bzw. unwirksam.

Sollte ein Vertrag für nichtig erklärt werden, wird so gehandelt, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Sind bereits Leistungen erfolgt (z.B. eine Partei hat bereits Geld gezahlt), so muss der Vertrag rückabgewickelt werden. Die Rückabwicklung erfolgt, da durch den Entfall des Vertrags auch der Rechtsgrund für die Leistung entfallen ist. Mithin müssen die unrechtmässig erworbenen Leistungen herausgegeben bzw. ersetzt werden. In manchen Konstellationen ist es denkbar, dass eine Vertragspartei verpflichtet ist, Schadenersatz zu zahlen.

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