Leihvertrag § Vorschriften, Leistungspflichten & mehr
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- Das Wichtigste in Kürze
- Die Leihe ist in Art. 305 OR geregelt und ein Gebrauchsüberlassungsverhältnis.
- Vertragsparteien sind Verleiher und Entlehner.
- Die Sache wird unentgeltlich zum Gebrauch überlassen und muss am Ende an den Verleiher zurückgegeben werden.
- Im Gegensatz zum Mietvertrag muss durch den Entlehner kein “Zins” entrichtet werden.
Rechtslage zum Leihvertrag in der Schweiz
Der Leihvertrag ist eine spezielle Vertragsart, die im besonderen Teil des Obligationenrechts zu finden ist. Er reiht sich damit neben Kauf-, Miet-, Arbeitsverträgen und weiteren besonderen Schuldverhältnissen des schweizerischen Rechts ein.
Die entscheidenden Gesetzesnormen sind in den Artikeln 305 bis 311 OR zu finden. Diese Spezialgesetze für den Leihvertrag werden durch die Regeln des allgemeinen Teils des Schuldrechts ergänzt. Dort werden Aspekte geregelt, die für alle Vertragstypen gelten soll (zum Beispiel: wie kommt ein Vertrag zustande = Art. 1 OR). Es handelt sich damit quasi um die Grundrechenarten, die im besonderen Teil des OR ergänzt werden.
Was ist ein Leihvertrag?
Der Leihvertrag wird in Art. 305 OR legal definiert. Das bedeutet, dass dort genau festgelegt wird, was ein Leihvertrag ist und was kein Leihvertrag ist. Somit lohnt es sich den Wortlaut des Gesetzes anzusehen: “Durch den Gebrauchsleihevertrag verpflichten sich der Leihgeber, dem Entlehner eine Sache zu unentgeltlichem Gebrauche zu überlassen, und der Entlehner, dieselbe Sache nach gemachtem Gebrauche dem Verleiher zurückzugeben.” Ein Leihvertrag ist ähnlich wie der Pachtvertrag oder der Leasingvertrag also ein sogenanntes Gebrauchsüberlassungsverhältnis. Der Entlehner ist derjenige, der die Sache bekommt und der Verleiher ist derjenige, dem die Sache gehört (Eigentum).
Sie versprechen Ihrem Freund in einem Leihvertrag, dass Sie ihm ein bestimmtes Buch ausleihen möchten. Wie der Leihvertrag zustande kommt, ist in Art. 1 OR geregelt. Danach müssen die Vertragsparteien zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgeben. Diese sind auf das Zustandekommen des Leihvertrags gerichtet.
Die Besonderheit des Leihvertrags besteht darin, dass der Entlehner die Leihsache nach dem Gebrauch wieder an den Leihgeber zurückgeben muss. In diesem Kontext ist es wichtig, dass sich um genau die verliehene Sache handelt. Eine ähnliche Sache zurückzugeben, ist nicht als Erfüllung des Vertrags zu verstehen. Sie können also nicht ein bestimmtes Buch ausleihen und schliesslich ein anderes Buch zurückgeben (selbst wenn es der gleiche Titel ist). Ausserdem ist entscheidend, dass die Leistung unentgeltlich erfolgt. Das bedeutet, dass dem Entlehner die Sache kostenlos zur Verfügung gestellt werden muss. Andernfalls läge kein Leihvertrag vor – sondern vielleicht ein Mietvertrag oder ein ähnliches Vertragskonstrukt.
Abgrenzung zwischen Mietvertrag und Leihvertrag
Auf den ersten Blick sind sich Mietvertrag und Leihvertrag nach dem Recht in der Schweiz ähnlich. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Leihe unentgeltlich erfolgt. Der Entlehner muss also keinen Mietzins an den Leihgeber entrichten. Bei einem Mietvertrag gehört die Zahlung von Mietzinsen zu den Hauptleistungspflichten. Wenn Sie also ein Auto haben, dann können Sie es entweder gegen Geld vermieten oder kostenlos verleihen. Es ist nicht möglich zu sagen, dass eine Vertragsart besser oder schlechter als die Andere ist. Hier kommt es auf Ihren Willen an: möchten Sie eine Gegenleistung erhalten oder kostenlos zur Verfügung stellen?
Anwendungsfälle des Leihvertrags
Im Alltag kommt es häufig zu Leihen, obwohl gar kein schriftlicher Leihvertrag geschlossen wird. So handelt es sich beispielsweise um ein Leihverhältnis, wenn Sie Ihrem Freund ein altes Handy für einige Tage kostenlos überlassen. Auch dann, wenn Sie in der Bibliothek ein paar Bücher mit Ihrer Mitgliederkarte ausleihen und Sie dafür kein Geld zahlen müssen, handelt es sich um einen Leihvertrag. Ein bekanntes Beispiel für einen Fall, in dem keine Leihe vorliegt, sind die häufig in Städten zu findenden Fahrradverleihs. Obwohl diese “Verleih” im Namen haben, handelt es sich zumeist um Fahrradvermietungen, da Sie die Zeit, die Sie das Rad nutzen, bezahlen müssen.
Vertragsparteien im Überblick
Bei einem Leihvertrag handelt es sich um ein sogenanntes synallagmatisches Schuldverhältnis. Es gibt also zwei Parteien, die jeweils eine Willenserklärung abgeben müssen. Einseitige Verfügungen qua Leihvertrag sind ausgeschlossen. Die Parteien des Leihvertrags werden “Verleiher” und “Entlehner” (auch: Entleiher) genannt. Damit der Vertrag rechtswirksam wird, müssen beide Parteien den Vertragsschluss wollen.
- Verleiher: Hat eine Sache, die durch den Leihvertrag dem Entlehner zur unentgeltlichen Nutzung versprochen wird.
- Entlehner: Bekommt die Sache vom Verleiher und muss diese nach dem Gebrauch an den Verleiher zurückgeben.
Leihvertragstypische Leistungspflichten
Der Vertrag begründet gewisse Leistungspflichten für beide Parteien. Man unterscheidet hier zwischen Hauptleistungspflichten und Nebenleistungspflichten. Die Hauptleistungspflichten sind dabei entscheidend dafür, dass ein Leihvertrag erfüllt / erledigt werden kann. Sollte eine Vertragspartei Haupt- oder Nebenleistungspflichten verletzen, so kann das zu einem Anspruch der Gegenpartei führen. Regelmässig sind die Rechtsfolgen Schadensersatz oder Beseitigung gem. der Art. 258 ff. OR.
Hauptleistungspflichten des Leihvertrags
Durch einen Leihvertrag ist der Verleiher verpflichtet, die vereinbarte Sache dem Entleiher unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Das steht in Art. 305 OR. Im Gegensatz dazu muss der Entlehner die Sache nach dem Gebrauch zurückgeben. Dies findet sich ebenfalls in Art. 305 OR.
Nebenleistungspflichten des Leihvertrags
Die Nebenleistungspflichten können durch die Vertragsparteien individuell geregelt werden. Es herrscht grundsätzlich Vertragsfreiheit, sodass es schlicht auf eine einvernehmliche Einigung ankommt. Neben vertraglichen Abreden können auch gesetzliche Vorgaben zu Nebenleistungspflichten werden. Ein Beispiel dafür ergibt sich aus Art. 307 Abs. 1 OR. Demnach muss der Entlehner die Kosten tragen, die für die Erhaltung der Sache anfallen.
Leihvertrag Formvorschriften nach dem ZGB/ OR
Verträge dürfen in der Schweiz grundsätzlich formlos geschlossen werden. Lediglich dann, wenn das Gesetz eine bestimmte Formvorschrift bestimmt, muss man dieser gerecht werden. Der Leihvertrag hat keine besonderen Formvorschriften, sodass Sie ihn mündlich, schriftlich oder sogar konkludent schliessen können. Wir würden Ihnen jedoch stets zur Schriftform raten. Das hat den einfachen Grund, dass das Bestehen des Leihvertrags und besondere Modalitäten im Streitfall besser bewiesen werden kann / können.
Obgleich mit der Verleihung von Sachwerten oder Geldwerten immer eine Vertrauenslage verbunden ist, empfiehlt es sich, bei hohen Sach- oder Geldwerten die Leihgabe mit einem Leihvertrag festzuhalten.
Leihvertrag beenden – Möglichkeiten:
Wie der Leihvertrag endet, wird in den Art. 309 bis 311 OR geregelt. Demnach gibt es unterschiedliche Möglichkeiten das Leihverhältnis zu beenden. Teilweise geschieht dies automatisch und teilweise muss eine bestimmte Handlung erfolgen (Rückforderung). Häufig wird eine Sache für eine bestimmte Dauer verliehen. Sobald diese Leihdauer erreicht bzw. überschritten ist, muss der Entlehner die Sache zurückgeben.
Sollte eine Sache für einen bestimmten Gebrauch verliehen werden, dann muss die Sache zurückgegeben werden, sobald der Zweck erreicht ist. Wenn Sie beispielsweise Ihr Auto einem Freund leihen, damit dieser seine Kinder zur Schule fahren kann, muss er Ihnen das KFZ zurückgeben, sobald die Kinder in der Schule sind. Sollte weder eine Dauer, noch ein Zweck vereinbart worden sein, kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern. Man spricht dann von einem unbestimmten Gebrauch (Art. 310).
Der Leihvertrag endet ebenfalls dann automatisch, wenn der Entlehner stirbt. Die Sache geht nicht in das Erbe über, sondern muss an den Verleiher zurückgegeben werden. Das hat alleine schon den Grund, dass der Leihende nie Eigentümer der Sache war. Ein weitere Sonderfall tritt dann ein, wenn der Entlehner die Sache verschlechtert, Dritten überlässt oder sie vertragswidrig gebraucht. In diesen Fällen kann die Sache nach Art. 309 Abs. 2 OR zurückgefordert werden.
Kosten des Leihvertrags
Durch das Erstellen eines Leihvertrags entstehen grundsätzlich keine Kosten. Jedoch ist es beim Abschliessen eines Leihvertrags ratsam einen Anwalt oder Notar hinzuzuziehen der sie zu allen Themen rund um den Leihvertrag ausführlich beraten kann und vor allem bei der Erstellung des Vertrags behilflich sein kann. Ausserdem können Themen wie Anspruch auf Schadensersatz und Haft im Vorfeld vertraglich geregelt werden um Streitigkeiten zu einem späteren Zeitpunkt zu verhindern. Die Kosten des Anwalts richten sich nach dem zeitlichen Aufwand und können kantonal variieren.
Wie kann ein Anwalt für Vertragsrecht helfen?
Vor allem wenn es sich bei einem Leihvertrag um eine “wertvolle, bedeutsame” Leihe handelt wie zum Beispiel eine Immobilie, kann eine Absprache mit einem Anwalt sehr sinnvoll sein. So können Sie sicherstellen, dass Sie rechtlich einwandfreie Rahmenbedingungen schaffen und ausführlich informiert werden. Für den Fall, dass es zu Streitigkeiten kommt, die sich auf einen Leihvertrag beziehen, kann das Hinzuziehen eines Anwalts durchaus sehr sinnvoll sein. Besonders häufig kommt es beim Abschliessen eines Leihvertrags zu Problemen, wenn es um Haftungsfragen geht. Sollten Sie Fragen zum Leihvertrag oder Probleme bezüglich eines bereits geschlossenen Leihvertrags haben, dann raten wir Ihnen dazu, unsere praktische Anwalts-Suchfunktion zu nutzen. Mit dieser finden Sie schnell und einfach kompetente Rechtsanwälte für Vertragsrecht bzw. Zivilrecht in Ihrer Nähe. Vereinbaren Sie noch heute kostenlos ein erstes, unverbindliches Beratungsgespräch.
FAQ: Leihvertrag
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